Das
Bordell ist ein populärer Schauplatz literarischer Fiktionen.
Freuden- und Laufhäuser, aber auch Verrichtungsboxen und
Straßenprostitution sind ein Gradmesser für Definitionen
des vermeintlich Anderen einer Gesellschaft. Anhand
ihrer (Un)Sichtbarkeit wird deutlich, welche Grenzziehungen
und Normvorstellungen Gemeinschaften innerhalb oder außerhalb
ihrer Territorien situiert wissen wollen. Literarische Bordelle
sind zudem konstruierte Imaginationen und Inszenierungen von
Überschreitungen, die mit einem klassischen
Figurenarsenal aus Prostituierten, Zuhältern, Kupplerinnen
und Freiern aufwarten. Diese Demimonde der Literatur bevölkert
ganz unterschiedliche Räume der Prostitution: Vom »Boulevard
der Kurtisanen«um 1900 in Paris über Berliner »Topographien
der Unmoral«bis hin zum »Bordell im Puppenhaus«des
Nouveau Roman und zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung im
Wohnwagen nach 1989.
Émile Zolas Nana ist der Ausgangstext für
eine Reihe französischer und deutscher Romane, die vor
dem Hintergrund raumtheoretischer Konzepte und zeitgenössischer
Diskurse des ausgehenden 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart
untersucht werden. Das Bordell changiert dabei zwischen räumlicher
Eingrenzung und totaler Entgrenzung wie der schrankenlosen Ausbreitung
von Räumen der Prostitution innerhalb städtischer
Topographien. In der Gegenwartsliteratur angekommen, steht die
Deterritorialisierung der Prostitution im Zuge des weltweiten
Sextourismus bei Michel Houellebecq den selbst ernannten Hurentestern
bei Clemens Meyer gegenüber, die sich zumindest in einem
Punkt einig sind: Raumentwürfe literarischer Bordelle bestehen
aus Imaginationen über das Gewerbe und bringen
dieses zugleich überhaupt erst hervor.
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